Karate

Die Grundidee des Karate (kara=leer, te=Hand) stammt aus China, wo ähnliche Kampfpraktiken schon vor Jahrhunderten gelehrt wurden – lange vor der Erfindung des Kyokushinkai Vollkontakt-Karate. Über die Insel Okinawa gelangte die Kampfkunst von China nach Japan, wo sie zum “Naha-Te” und viele Jahre später durch Funakoshi Gichin zum Karate weiterentwickelt wurde. Funakoshi gründete 1922 die erste Karate Schule in Tokyo.

Shinkyokushinkai Karate

Das traditionelle Karate von Funakoshi wurde von einigen seiner Schüler weiterentwickelt und mit anderen Kampfkünsten vermischt, sodass weitere Stilarten entstanden sind. Einer dieser Schüler war Masutatsu Oyama, der die Stilart Kyokushinkai entwickelte.

Bereits mit 20 Jahren erreichte Oyama den 4. Dan im Shotokan Karate und widmete sich über viele Jahre dem Judo und Gojuryu. 1946 begab sich der 23-jährige Oyama auf den Berg Miobu in Japan, wo er in völliger Abgeschiedenheit trainierte und seine Kampfkunst perfektionierte. Nach zwei Jahren kehrte der unermüdliche Oyama zurück nach Tokyo, gerüstet für die nationalen Meisterschaften, die er auch gewann. Dies war der Anfang des Kyokushinkai Karate, das er fortan in verschiedenen Schulen (Dojos) lehrte.

Der Unterschied zum traditionellen Karate, wie man es bis dahin kannte, waren die Vollkontakttechniken. Sosai Oyama entwickelte mit dem Kyokushinkai einen Karatestil, der sich mehr auf die realistische Anwendung im Alltag konzentrierte. Er wusste, dass man mit nur angedeuteten Techniken auf die Körperoberfläche auch im Ernstfall nicht anders kämpfen würde. Trotz Vollkontakttechniken fand er eine gute Balance zwischen hartem Training und körpergerechtem Sport, sodass er viele (auch Frauen!) nicht nur dank den sportlichen Erfolgen davon überzeugen konnte, mit ihm zu trainieren. Bald hatte er genug erfahrene Schüler, die seinen Stil auch in anderen Dojos auf der ganzen Welt unterrichteten.

Mit dem versterben von Sosai Oyama 1994, war dessen Nachfolge als Verbandsführer nicht klar geregelt. Viele seiner Schüler waren bestrebt, diese Funktion einzunehmen und konnten sich leider nicht einigen, sodass sich verschiedene eigenständige Verbände bildeten und die Kyokushinkai-Welt auseinandergerissen wurde. Der mittlerweile weltweit grösste Kyokushinkai-Verband WKO (World Karate Organization) wurde von Shihan Kenji Midori gegründet und bekam den Zusatz «shin», was als «neues» Kyokushinkai zu verstehen ist. Der Shinkyokushinkai Verband fasst mittlerweile über 80’000 Mitglieder in mehr als 80 Ländern zusammen.

Auch in der Schweiz sind die Verbandsspaltungen nicht unbemerkt geblieben und auch hier sind Ableger der verschiedenen Verbände vertreten: IFK, Union, IKO, Shinkyokushinkai (SSKA), SKS), und viele mehr. Als kleine Nation können wir es uns nicht leisten, komplett unabhängig voneinander zu wachsen und international erfolgreich zu sein. Die letzten Jahre haben erfreulicherweise gezeigt, dass wir auf dem guten Weg zur konstruktiven Zusammenarbeit sind und bereits viele Trainings, Seminare, Camps und Turniere gemeinsam durchgeführt werden. Ganz im Sinne von Sosai Oyama’s Grundgedanken des Kyokushinkai Karate: One big family!

Trainingsaufbau im Karate

Kihon

Kihon ist die Grundschule des Karates. Dabei werden die Grundtechniken, wie beispielsweise Schläge, Blöcke, Kicks oder der kräftige und stabile Stand Schritt für Schritt erlernt. Gute und saubere Grundtechniken sind aber das A und O für den weiteren Weg im Karate und der Grundbaustein für Kumite und Kata.

Kata

In der Kata werden die gelernten Grundtechniken aus dem Kihon zu ganzen Bewegungsformen zusammengesetzt. Neben dem ästhetischen Wert einer Kata ist die Anwendung der einzelnen Elemente für Verteidigung und Angriff sehr wichtig (Bunkai). Zudem werden im Kata Schnelligkeit, Rhythmusgefühl und Kraft trainiert, welche wiederum im Kumite wichtig sind.

Folgende Kata werden im Shinkyokushinkai trainiert:
Taekyoku 1-3, Pinan 1-5, Sanchin, Tensho, Yantsu, Tsukino, Geksei-Dai, Geksei-Sho, Seiha, Kanku, Seipei, Seienchin, Garyu, Sushiho.

Kumite

Das Kumite bildet den “Kampfteil” des Karatetrainings. Im Gegensatz zu anderen Karate-Stilarten übt Kyokushinkai Vollkontakt-Techniken aus. Das heisst Niederschläge sind erlaubt und das Ziel im Turnier-Kampf.
Jegliche Schläge in den Rücken, zwischen die Beine und auf die Knie sind aber nicht gestattet – ebenso wenig wie Hand- bzw. Faustschläge auf den Kopf. Würfe, Griffe und Schubsen sind ebenfalls tabu.
Im Sparring (Kampftraining im Dojo) werden die Techniken nicht vollständig durchgezogen. Verletzungen sind selten und nicht häufiger als bei anderen Kampfsportarten, die keinen Kontakt im Turnierkampf betreiben.

Kyu-Prüfungen

Wie in den meisten traditionellen Kampfsportarten werden auch im Shinkyokushinkai Karate die Schüler in Lernstufen eingeteilt. Diese sogenannten Kyu-Stufen werden in den Gurtfarben widerspiegelt und haben einen symbolischen Wert. Sie helfen zum einen das Niveau des Trainingspartners einzuschätzen und die Intensität und Härte anzupassen, zum anderen dient die Einstufung als Motivationsquelle zum weiteren Fortschreiten im Gurtsystem. Dabei wird manchmal vergessen, dass der Gurt eigentlich nur zum Binden des Dogi (Karateanzugs) da ist.

Im Dojo werden regelmässig (3-4 mal im Jahr) Kyu-Prüfungen durchgeführt. Dabei werden die Techniken und die Kondition der Schüler geprüft. Je nach Kyu-Stufe werden die Prüfungen länger und intensiver.

Graduierung

Im Judo und in vielen Karatestilen beginnt man mit dem weissen Gurt und schreitet der Helligkeit nach bis zum schwarzen Gurt vor. Im Shinyokushin Karate hat man eine andere Reihenfolge der Gurte gewählt, um den Farben einen deutlicheren symbolischen Wert zu geben.

Jede Trainingsstufe besteht aus einem Kyu-Grad, wobei mit dem 11. Kyu das Karatetraining begonnen wird. Nach jeder erfolgreichen Prüfung schreitet man einen Kyu-Grad fort, bis man mit dem zweiten braunen Gurt den 1. Kyu erreicht hat und sich somit am Ende der Kyu-Graduierung befindet. Mit dem Schwarzgurt beginnt die Dan-Graduierung, welche pro Dan mit einem goldenen Streifen auf dem Gurt gekennzeichnet ist.

Weissgurt (11. Kyu)

Die Farbe Weiss reflektiert alle Wellen des Farbspektrums. Es weist darauf hin, was alles im Schüler steckt, wenn er mit dem Karate-Training beginnt. Bereits mit dem ersten Tsuki (Faustschlag) ist jedoch die Vollkommenheit der weissen Farbe fort: Der Gürtel saugt Schweiss und Staub auf und verliert seine ursprüngliche Farbe. Damit beginnt die Reise aufwärts durch das Farbspektrum der Gurte. Gerade als Weissgurt soll man sich im Klaren werden, dass die Gürtel-Farben nur symbolische Bedeutung haben und es wichtiger ist, die einzelnen Stufen des Lernens zu begreifen, als möglichst rasch den nächsten Gurt zu erreichen. Hier wird die Grundlage geschaffen für das weitere Training. Ist diese Grundlage nicht stabil genug, wird der weitere Fortschritt immer schwieriger oder gar unmöglich.

Orangegurt (10.+9. Kyu)

Mit dem orangen Gurt hat der Schüler das reine Weiss verlassen und den ersten Farbgurt erreicht. Orange steht für die Stabilität der körperlichen Masse. Das bedeutet, dass man lernen muss, den eigenen Körper zu kontrollieren. Ziel des Orangegurtes ist das Erreichen einer inneren und äusseren Balance. Nur wenn man diese beherrscht, stellt der Körper ein Hindernis für den Gegner dar und entwickelt sich nicht zu einem Problem für sich selbst.

Blaugurt (8.+7. Kyu)

Das Blau des Gürtels steht als Symbol für das Element Wasser. Die Gürtelfarbe soll den Karateka an den fliessenden Zustand des Wassers erinnern. Das Training ist darauf ausgerichtet, sich Situationen anzupassen und fliessend darauf zu reagieren. Nachdem der Orangegurt den festen Stand erlernt hat, beginnt das intensive Training an Faustschlägen und Tritten. Der Karateka mit dem blauen Gurt muss körperlich und geistig flexibel werden.

Gelbgurt (6.+5. Kyu)

Die Farbe Gelb symbolisiert das Feuer. Nach japanischer Philosophie gibt uns das Element Feuer das Bewusstsein der Dynamik und der Lebendigkeit. Diese Eigenschaften erlernt der Gelbgurt durch raffiniertere und schnellere Techniken. Er muss sich bewusst werden, dass sein Geist den Körper kontrolliert – und nicht umgekehrt.

Grüngurt (4.+3. Kyu)

Mit dem grünen Gurt lässt der Schüler die Stufe des Anfängers hinter sich. Grün verbindet die Farben Gelb und Blau. Es ist der Grad der Sensibilität und des Moments. Der Grüngurt weiss die erlernten Techniken im günstigen Moment und mit einem Maximum an Wirkung anzuwenden. Im Training lernt er die Techniken mit weniger Kraftanstrenung, jedoch mit grösserer Wirkung und Perfektion auszuführen.

Braungurt (2.+1. Kyu)

Der Braungurt soll zu einem ausgewogeneren Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele führen. Allzu oft wikt der Braungurt selbstgefällig und zufrieden, weil er an der Spitze der Kyugradierung steht. Eine solche Person ist nicht reif, die Herausforderungen des Yudansha (Schwarzgurtes) zu akzeptieren. In der Stufe des Braungurtes lernt der Schüler die wahre Bedeutung des Dojo-Kun.

Schwarzgurt (Yudansha)

Nach jahrelangem Training erreicht der Karateka sein eigentliches Ziel: den schwarzen Gurt, als Symbol für die Anstrengungen, die damit verbunden sind. Schwarz enthält alle Farben des Farbspektrums. Der Erhalt des Shodan (1. Dan Schwarzgurt) ist aber nicht als Ende, sondern als ein neuer Anfang anzusehen. Wie die Farbgurte verändert sich auch der schwarze Gurt: Er wird allmählich wieder weiss und der Lehrer wird erneut zum Schüler.