Zu einem richtigen Wintercamp gehören schneebedeckte Berge, Minusgrade und eine Gruppe motivierter Karatekas. Und genau das durften wir am letzten Wochenende erleben.

Fünfzehn unerschrockene Karatekas aus dem Okawa Dojo und dem Tomodachi Dojo haben sich am Freitagnachmittag in Guarda im Engadin getroffen. Mit schweren Rucksäcken auf den Rücken und Schneeschuhen an den Füssen sind wir losgestapft. Bei eisiger Kälte wanderten wir rund zweieinhalb Stunden bergauf und trotzten den immer stärker werdenden Windböen. Rund 700 Höhenmeter später erreichten wir nach Einbruch der Dunkelheit die Chamonna Tuoi. Hier, 2300 Meter über Meer, wird für die nächsten Tage unser Zuhause – oder unser Dojo – sein.

Gestärkt vom Abendessen zogen wir unseren Dogi und Obi an und wagten uns nochmals nach draussen, wo uns ein eisiger Wind entgegenpeitschte. Eingehüllt in das warme Licht der Fackeln eröffneten wir das erste Okawa Alpine Camp mit kräftigen Schlägen und lauten Kihais. Während wir unter der Anleitung von Sensei Ciril ein buntes Repertoire an Kihon Techniken und Kombinationen in die Winternacht schlugen, gingen allmählich alle Strapazen des Aufstiegs vergessen. Mit jedem Schlag und jedem Kick wurden die Kihais lauter und, wie die Fakeln um uns herum, fingen die Feuer in uns Karatekas erneut an zu brennen.

Zurück in der warmen Hütte liessen wir den Tag bei einem Schlummertrunk Revue passieren und legten uns schon bald zu Bett – denn es wartete ein intensiver Trainingssamstag auf uns.

Schon um 7.00 Uhr standen wir alle wieder im Dogi in unserem Outdoor-Mountain-Dojo. Bereit für ein Stamina-Training mit Senpai Carla. Es folgte eine Stunde gefüllt mit Ausdauertraining, Kraftübungen und abschliessender Stretching-Session. Das anschliessende Frühstück haben wir uns wohl verdient!

Als nächstes stand Kata auf dem Programm. Wer bis dahin glaubte, dass ein Kata-Training im Schnee unmöglich ist, dem konnten wir das Gegenteil beweisen. Natürlich waren die Bedingungen etwas erschwert, wobei der teilweise knietiefe Schnee oft das kleinste Problem war, doch wie immer zeigten sich alle von ihrer besten und strebsamsten Seite und performten den Umständen entsprechend tolle Katas. Der teilweise rutschige Untergrund hat auf jeden Fall für ein paar amüsante Momente gesorgt.

Nach dem Mittagessen erholten sich die meisten während der kurzen Siesta. Nur ein paar unermüdliche Karatekas nutzten die Gelegenheit zwischen den Trainings für etwas Stretching.

Erholt und bei guter Laune begaben wir uns nach der Mittagspause wieder nach draussen. Endlich liess das Schneegestöber nach. Über uns öffnete sich die Wolkendecke und gab den strahlend blauen Himmel frei. Nun konnten wir alle auch das wundervolle Bergpanorama bestaunen, das uns bei all den Trainings umgab.

Beim Spirit-Training traten wir bei unterschiedlichen Spielen in Gruppen gegeneinander an. Dabei waren Teamgeist, Köpfchen und natürlich Karate-Skills gefragt. Ausgelassen und mit einem unbändigen Spirit wurde um den Sieg gekämpft. Und zum Schluss – wie könnte es bei einem Spirit-Training in einem Wintercamp anders sein – wollten wir (ja wir wollten es alle 😉) den Schnee unter unseren Füssen spüren. Diese zwanzig Tsukis, barfuss bei minus 8 Grad im Schnee, werden wir alle so schnell nicht mehr vergessen – das ist Kyokushin-Spirit!

Nach einer kurzen Verschnaufpause folgte an diesem Wochenende noch der dritte und letzte Pfeiler, der unser Karate komplettiert: Kumite. Wir eröffneten das Training mit ein paar auflockernden Partnerübungen und stellten uns schliesslich zum Kämpfen auf. Es war ein beflügelndes und bestärkendes Gefühl, umgeben von dieser imposanten, schneeweissen Bergkulisse gemeinsam zu kämpfen. Ein unbeschreibliches Erlebnis.

Das Abendessen wie auch das Bad im Hot Tub war nach all den Trainings eine Wohltat.

Der letzte Tag des Okawa Alpine Camps war angebrochen. Wie bereits am Samstag versammelten wir uns wieder um 7.00 Uhr für das frühmorgendliche Training. Sensei Ciril und Senpai Carla haben eine abwechslungsreiche Best-Of Sammlung der vergangenen Trainings zusammengestellt und uns so einen kleinen Rückblick der letzten Tage erleben lassen.

Und schon mussten wir unseren Rucksack wieder packen, die Feldflasche mit Marschtee füllen und unsere Schneeschuhe anschnallen. Wie wir den Gipfel angetroffen hatten, so verliessen wir ihn auch wieder: bei Schneegestöber. Unterwegs kam sicher dem einen oder anderen Karateka der Gedanke, dass sich Sosai Oyama wohl ähnlich gefühlt haben muss, als er nach jahrelangem Training vom Berg Miobu gestärkt zurückgekehrt war und sein Kyokushin Karate in der ganzen Welt verbreitet hatte.

Zurück beim Parkplatz in Guarda trennten sich unsere Wege leider bereits wieder.

Das Wochenende war anstrengend, hat viele von uns an ihre Grenzen gebracht, aber hat uns auch viele unvergessliche Momente beschert. Momente, welche wir ohne einen Schritt aus unserer Wohlfühlzone zu wagen, nicht hätten erleben können.

Es war grossartig, mit einer solch motivierten Gruppe dieses aussergewöhnliche Wochenende in den Bergen zu verbringen. Wir danken euch allen für euren unermüdlichen Spirit – weiter so!

OSU